Alleinerziehende in München – Antwort

Dagmar Henn

Das Antwortschreiben offenbart grundlegende Defizite in der sozialstatistischen Erfassung von Alleinerziehenden. Es wird jedoch eingeräumt, dass ihr Anteil an den BezieherInnen von ALG II mit 20 % unverändert hoch ist und ihre Gruppe von den höchsten Armutsrisiken bedroht ist.

18.07.2008
Friedrich Graffe
Sozialreferent
Landeshauptstadt
München

Alleinerziehende in München – abgeschrieben und vergessen?
Ihre Schriftliche Anfrage
vom 20.05.2008
Gz.: S-I-WH/B


Sehr geehrte Frau Stadträtin Henn,

in Ihrer o.g. Schriftlichen Anfage führen Sie aus, dass Alleinerziehende besonders von Armut bedroht sind, was durch den Armutsbericht der Bundesregierung bestätigt wird. Problematisch erscheint Ihnen die Subsumierung Alleinerziehender unter den Begriff „Langzeitarbeitslose“.

Der regelmäßig erscheinende Münchner Armutsbericht zeigt, dass die Personengruppe der Alleinerziehenden zu den Gruppen mit den höchsten Armutsrisiken gehört. 2004 war ein Fünftel aller Alleinerziehenden in München auf Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes) angewiesen.

Das hat sich auch durch die Einführung des ALG II nicht verändert. Zwar ist insgesamt ein Rückgang der Anzahl der ALG II Bezieherinnen und Bezieher zu beobachten, doch gilt dies nach wie vor nicht für die Personengruppe der Alleinerziehenden. Mit über 7.300 Bedarfsgemeinschaften machen sie 20% aller ALG II Bedarfsgemeinschaften aus (revidierte Daten der Bundesanstalt für Arbeit Dezember 2007).

Der nächste Armutsbericht erscheint im Herbst 2008 und wird die aktuellen Entwicklungen des Armutsrisikos Alleinerziehender seit Einführung des SGB II darstellen.

In den Statistiken der Agentur für Arbeit wird die Zielgruppe der Alleinerziehenden nicht
gesondert erhoben, sondern diese ist in den Zielgruppen der Frauen, Jugendlichen, Migrantinnen und Migranten, Schwerbehinderten und Ü50-Jährigen erfasst. Eine Erhebung der relevanten Daten findet jedoch in vielen Bereichen statt, da die Zielgruppe im Fokus des Sozialreferates steht und die Förderung der Integration von Alleinerziehenden im Jahr 2009 ein Ziel der ARGE sein soll.

Zu Ihrer Anfrage vom 20.05.2008 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:

Frage 1:
Wie viele Alleinerziehende in München beziehen ALG II? Wie viele davon aufzahlend, also trotz Erwerbstätigkeit? Wie viele davon trotz einer Vollzeiterwerbstätigkeit?

Antwort:
Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender lag im April 2007 bei 7.383. Wie viele davon trotz Erwerbstätigkeit auf Leistungen aus dem SGB II und XII angewiesen waren, wurde von der ARGE statistisch nicht erfasst.
Ab welchem Zeitpunkt eine getrennte Erfassung Alleinerziehender erfolgen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden, da hierzu die Planungsphase noch andauert.

Frage 2:
Wie hat sich der Zugang zu hochwertigen Weiterbildungsmaßnahmen (also wirklicher beruflicher Qualifikation, nicht Bewerbungsschulungen o.ä.) seit der Einführung des ALG II entwickelt? Wie hat sich die Arbeitslosigkeit Alleinerziehender in den letzten Jahren entwickelt, wie im Vergleich zur Gesamtentwicklung (Vergleich Alleinerziehender/Frauen allgemein)?

Antwort:
Die Zielgruppe der Alleinerziehenden kann je nach persönlicher Eignung, Defiziten oder Bedarfen jede der angebotenen Weiterbildungsmaßnahmen wahrnehmen, wenn sie die Zugangsvoraussetzungen (z.B. Deutsch-Kenntnisse) erfüllt und die Schulungszeiten bzw. die Ausstattung der beauftragten Bildungsträger (z.B. behindertengerecht) dies ermöglicht. Im Jahr 2006 und 2007 wurden Alleinerziehende in allen Weiterbildungsmaßnahmen der ARGE - vorzugsweise Teilzeit-Weiterbildungsmaßnahmen - aufgenommen, sofern die Kinderbetreuung für die Kurslaufzeit gesichert war (in einigen Fällen ist nach vorheriger Absprache eine Kinderbetreuung möglich). Insbesondere Deutschkurse werden größtenteils in Teilzeit angeboten und sind daher besonders für alleinerziehende Migrantinnen zugänglich.

Darüber hinaus wurden speziell für Alleinerziehende Maßnahmen beispielsweise im Bereich Handel/Verkauf/Büro, Schwerpunkt Buchhaltung und EDV sowie Touristik und Hotellerie entwickelt.

Da, wie bereits erwähnt, die Gruppe der Alleinerziehenden in den Zahlen der Agentur für Arbeit nicht gesondert ausgewiesen wird, kann hier lediglich die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender in ihrer Tendenz betrachtet werden.
Diese Zahl ist konstant. Sie betrug 7.383 im April 2007 und 7388 im April 2008.
Die Ursache hierfür ist, dass der berufliche (Wieder-) Einstieg für Alleinerziehende - gerade jüngerer Kinder - mit erheblichen Schwierigkeiten (z.B. Arbeitszeiten ausserhalb der Kinderbetreuungszeiten) verbunden ist.
Die Anzahl der arbeitslosen Frauen, deren prozentualer Anteil in München (ARGE und Agentur) bei 48,31 % liegt, geht jedoch schon seit längerer Zeit zurück. So lag der Bestand an arbeitslosen Frauen in München mit 21.167 im Juni 2007 um 17,7 % unter dem Vorjahreswert. Diese Zahl konnte bis April 2008 erneut um 2.302 (10,9 %) auf 18.865 Personen gesenkt werden.

Im Vergleich zum Vorjahresmonat 2006 gingen im Juni 2007 sogar 32% mehr Frauen in die Erwerbstätigkeit über. Die aktuellen Erhebungen liegen derzeit noch nicht vor.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Arbeitslosenquote der Frauen in allen Cluster-ARGEN (München, Stuttgart, Frankfurt/Main, Düsseldorf) niedriger ist, als die der Männer.

Frage 3:
Wie hat sich nach den Erkenntnissen der Bezirkssozialarbeit, wie der Münchner
Beratungsstellen für Alleinerziehende die Lage Alleinerziehender seit der Einführung des
ALG II entwickelt?

a) Durch die Einführung des Elterngelds wurden für Eltern, die wenig verdienen, die Leistungen deutlich verringert. Davon dürften vor allem Alleinerziehende betroffen sein. Wie hat sich diese Änderung der Gesetzeslage auf die Münchner Alleinerziehenden ausgewirkt?

Antwort:
Beim Elterngeld, das zwar, im Unterschied zum Erziehungsgeld, von der Höhe des letzten Einkommens abhängig ist, gibt es einen Mindestbetrag in Höhe von 300 € pro Monat, der auch bei geringem oder fehlendem Einkommen ausbezahlt wird. Dies entspricht der Höhe des früheren Erziehungsgeldes.
Lediglich in der Bezugsdauer besteht der Unterschied, dass das Erziehungsgeld für zwei Jahre bezahlt wurde, Elterngeld wird für max. 14 Monate gezahlt. Elterngeld wird beim Bezug von SGB XII–Leistungen nicht als Einkommen angerechnet.

b) Wie oft musste auf Stiftungsmittel zurückgegriffen werden, um dringende Bedürfnisse von Ein-Eltern-Familien sichern zu können? Werden Stiftungsmittel überhaupt als eine Lösung der Probleme gesehen?

Antwort:
Die Zahl der bedachten Alleinerziehenden wird in der von uns geführten Statistik nicht
erfasst, da die Stiftungsverwaltung bei bedürftigen Familien nicht in Alleinerziehende und Familien mit zwei Elternteilen unterscheidet. Im Jahr 2007 konnten im Bereich der Einzelfallbeihilfen rund 2.900 Haushalte/Familien mit Kindern mit einer Summe von 530.000,- € bedacht werden. Daneben wurden durch Sonderaktionen wie z.B. einer Weihnachtsaktion für Kinder und durch die Erlöse der Spendenaktionen zugunsten der „Josef Schörghuber-Stiftung für Münchener Kinder“ rd. 3.600 Kinder und Jugendliche mit einem Gesamtvolumen von ca. 170.400,- € unterstützt.
Die Gewährung von Stiftungsmitteln kann keine Lösung und generell kein Ersatz für
unzureichende und fehlende gesetzliche Leistungen sein.

c) Ist bekannt, in welchem Ausmaß Alleinerziehende und ihre Kinder in München auf Lebensmittelspenden z.B. der Münchner Tafel angewiesen sind, um überleben zu können?

Antwort:
Hierzu findet keine Erhebung statt.

d) Hat sich die Zahl der von Verschuldung betroffenen Alleinerziehenden erhöht? In wie vielen Fällen musste wegen Mietrückständen eingegriffen werden? In wie vielen Fällen wegen Stromschulden?

Antwort:
Die Zahl der Alleinerziehenden, die von der BSA zum Thema Überschuldung kontaktiert wurden, hat sich von 15,5% in 2004 auf 12,5% in 2007 leicht verringert. Der Anteil der Haushalte mit Miet- und Wohnungsproblemen an allen Alleinerziehenden-Haushalten ist seit 2004 erheblich gesunken (2004: 17,7%; 2007: 13,1%). Ebenso hat sich der Anteil der von Wohnungslosigkeit bedrohten Haushalte an allen Alleinerziehenden-Haushalten von 6,1% in 2004 auf 4,9% in 2007 verringert. Der Grund für den Rückgang im Bereich Wohnen ist vermutlich auf die konsequente Umsetzung der Wohnungspolitik der Landeshauptstadt München zurückzuführen.
Seit 2005 existiert zwischen dem Sozialreferat und den Stadtwerken München (SWM) eine Kooperationsvereinbarung zur Vermeidung und Behebung von Sperrungen der Energieversorgung für bestimmte Härtefallgruppen. Zu diesen Härtefallgruppen zählen auch Alleinerziehende, sofern ihre Kinder minderjährig sind.
Die Haushalte von Alleinerziehenden werden hier nicht explizit ausgewiesen. Die Anzahl der Haushalte mit Stromschulden insgesamt, die vor der Einführung dieses Kooperationsverfahrens stetig stieg, stagniert aber seit 2007 - trotz steigender Energiepreise.

e) Welche psychosozialen Probleme ergeben sich aus verschärfter Armut in Ein-Eltern-Familien? Welche gesundheitlichen Probleme treffen Alleinerziehende?

Antwort:
Einelternfamilien sind in Deutschland die Bevölkerungsgruppe mit dem höchsten Armutsrisiko. Kein anderer Haushaltstyp ist mit einem ähnlich hohen Anteil – etwa 25 % – auf Unterstützungsleistungen angewiesen, selbst kinderreiche Paarfamilien nicht. Wenn von Kinderarmut die Rede ist, betrifft dies ca. 50 % der Kinder Alleinerziehender. Armut geht dabei weit über die finanzielle Dimension hinaus. In starkem Maße betrifft sie auch die Chancen auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Eltern.
Die gesellschaftliche Ausgrenzung und die damit einhergehende Vereinsamung führt nicht selten zu psychosozialen Problemen, wie Angst, Depressionen oder gar suizidaler Gefährdung.

Gesundheitliche Probleme in Einelternfamilien, die vermehrt von Armut betroffen sind, können sowohl bei den Alleinerziehenden selbst, wie auch bei deren Kindern beobachtet werden. Hierzu zählen vor allem Zahnerkrankungen, Übergewicht, Adipositas und Störungen der Sprachentwicklung bei den Kindern, sowie Nervosität,  Niedergeschlagenheit und Schmerzen bei den Erwachsenen.
Ausserdem leiden Alleinerziehende deutlich öfter unter chronischer Bronchitis oder
Migräne.

f) Hat sich die Zahl der Fälle, in denen Betreuung z.B. in Pflegefamilien erforderlich war, erhöht?

Antwort:
Ein Vergleich der Jahresmittelwerte der monatlichen Bestandsfallzahlen bezogen auf die Jahre 2006, 2007 und 2008 (Stand: April 2008) ergab, dass - unabhängig für wie viele junge Menschen tatsächlich innerhalb eines Jahres Hilfe gewährt wurde - die Zahl der geleisteten Erziehungshilfen (Kinderschutz, Pflegestellen und sonstige staatliche Hilfe etc.) annähernd gleich geblieben ist (2006: 7.681Fälle, 2007: 7.526 Fälle, 2008: 7.673 Fälle). Bei den wirtschaftlichen Unterstützungsleistungen (Kita, Tagespflege, §§ 11,16 SGB VIII) war eine Zunahme der Bestandsfälle zu verzeichnen (2006: 3.763 Fälle, 2007: 3.881 Fälle und 2008: 4.209 Fälle (Stand April 2008)).

g) Sind Koordinationsprobleme zwischen Jugendamt und ARGE bekannt, z.B., dass auf
Alleineinerziehende in bekannt schwierigen Familiensituationen seitens der ARGE Druck ausgeübt wird, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, obwohl das Jugendamt davon abrät?

Antwort:
Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor.
Alleinerziehende mit Kindern unter drei Jahren sind nicht verpflichtet, sich dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen.
Sobald die Kinder das 3. Lebensjahr vollendet haben, wird die zuständige Arbeitsvermittlerin bzw. der zuständige Arbeitsvermittler stets bemüht sein, die Alleinerziehende bzw. den Alleinerziehenden mit Rücksicht auf die individuelle
Familiensituation und in Absprache mit der BSA entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen (z.B. Teilzeit) in Arbeit zu vermitteln.

Frage 4:
Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2005 (Becker/Hauser, Dunkelziffer der Armut), die mittels eines Simulationsmodells die Daten aus der „alten“ Sozialhilfe mit den neuen Daten aus dem ALG-II-Bezug verglich, ergab, dass mit dem Übergang zum ALG II sich die Dunkelziffer insbesondere im Bereich der Alleinerziehenden erhöht hat. Liegen Erkenntnisse vor, die dieses Ergebnis bestätigen?

Antwort:
Zu dieser Studie liegen keine Erkenntnisse vor, die dieses Ergebnis bestätigen würden.

Frage 5:
Das durchschnittliche Fraueneinkommen und die Prekarisierungsentwicklung der letzten
Jahre, die überwiegend Frauen betrifft, lassen es fraglich erscheinen, dass sich durch Erwerbstätgkeit Armut bei Alleinerziehenden abwenden lässt. Welche alternativen Konzepte hat das Sozialreferat bisher entwickelt, um durch Weiterbildung oder durch anderweitige Unterstützung die Lage Alleinerziehender dennoch zu verbessern?

Antwort:
Im Sozialreferat der Landeshauptstadt München wird der Situation Alleinerziehender – vor allem was die mit der spezifischen Lebenssituation einhergehenden Bedarfslagen und die besondere Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Ausbildung betrifft - im Rahmen der Vermeidung und Bekämpfung von Armut durch entsprechende Angebote besonders Rechnung getragen. Dazu gehören Beratungs- und Unterstützungsangebote der Jugendhilfe, Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten der ARGE und im Rahmen des Münchner Beschäftigungs- und Qualifzierungsprogrammes, preiswerter Wohnraum sowie ein breites Angebot an Kindertagesbetreuung.

Im Juni 2007 wurden vom Stadtrat über 1 Mio Euro für zusätzliche Maßnahmen zur
Vermeidung und Bewältigung von Armut insbesondere für Familien, Kinder und Jugendliche bewilligt. Diese Angebote werden häufig von Alleinerziehenden und ihren Kindern genutzt.

Das Sozialreferat wird in den nächsten Jahren das Ziel verstärkt weiterverfolgen, die
besonderen Bedarfslagen von Alleinerziehenden in seinen Angeboten zu berücksichtigen. Im Jahr 2007 wurde vom Sozialreferat dazu ein Arbeitskreis eingerichtet. Gemeinsam mit Vertreterinnen von Beratungs- und Qualifizierungsangeboten für Alleinerziehende, und unterstützt durch das Deutsche Jugendinstitut, wurde ein Arbeitspapier erstellt, das Anregungen zur Verbesserung der Situation Alleinerziehender enthält. Die Ergebnisse werden in den Zieleprozess des Sozialreferates für das Jahr 2009/2010 mit einfließen. Auch die ARGE plant weitere Maßnahmen zur Integration Alleinerziehender in den Arbeitsmarkt.

Frage 6:
Bei der Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen ist „alleinerziehend“ kein Kriterium mehr. Würde die Wiedereinführung eines Vorrangs für Alleinerziehende bei der Vergabe von Krippen- und Hortplätzen wie an Tagesheimschulen etc. zu einer Verbesserung der Lage Alleinerziehender in München führen?

Antwort:
Die Anforderungen und Ansprüche an erwerbstätige Mütter und Väter steigen zunehmend. Erwerbstätigkeit, Aus- und Weiterbildung setzen voraus, dass die Kinder während dieser Zeit gut und zuverlässig betreut werden. Nach wie vor gibt es jedoch nicht genügend Betreuungsplätze für Kinder von neun Wochen bis drei Jahren. Sind in einer Kinderbetreuungseinrichtung nicht genügend freie Plätze verfügbar, so werden
Dringlichkeitsstufen vergeben, bei denen Kinder, deren Mutter oder Vater alleinerziehend und berufstätig oder in Ausbildung ist, berücksichtigt werden. (vgl. § 5 Abs.1, Buchst b der Kooperationseinrichtungs- und Kindertagesstättensatzung).

Ohne Arbeitsplatz und Arbeitsnachweis gibt es darauf keinen gesetzlichen Anspruch (vgl. § 24 Abs. 3 SGB VIII). Die Erfolgschancen einer Arbeitsplatzsuche verringern sich jedoch drastisch bei ungesicherter Kinderbetreuung. Auch der Übergang des Kindes in die Schule erweist sich oft als Bremse in Bezug auf die Erwerbstätigkeit. Derzeit wird ein Formblatt für die ARGE entwickelt, das deutlich macht, dass eine Alleinerziehende bzw. ein Alleinerziehender aktiv dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.

Auch wird im Sozialreferat aktuell an einer Änderung der Kooperationseinrichtungs- und
Kindertagesstättensatzung gearbeitet. Bereits jetzt sind Eltern, die sich in einer längerfristigen beruflichen Bildungsmaßnahme befinden oder an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit (§ 16 SGB II) teilnehmen den Berufstätigen gem. § 5 Abs.1 Buchst b der Kooperationseinrichtungs- und Kindertagesstättensatzung gleichgestellt.

Frage 7:
In den vergangenen Jahren haben sich die Anforderungen bei den Arbeitszeiten zunehmend verschärft. Überstunden und abweichende Arbeitzeiten werden immer häufiger. Für Alleinerziehende stellen Arbeitzeiten außerhalb der Öffnungszeiten der Kindertagesstätten ein erhöhtes Problem dar. Welche Erkenntnisse liegen darüber vor und welche Maßnahmen bestehen oder sind geplant, um hier Erleichterungen zu schaffen?

Antwort:
Der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen kommt den Bedürfnissen Alleinerziehender
entgegen. Die Betreuungszeit in Kindertageseinrichtungen sollte sich noch stärker an den Lebens- und Arbeitsbedingungen orientieren und den Bedarf vieler Alleinerziehender besonders berücksichtigen, die auch oder gerade für die Randzeiten in den Abendstunden oder am Wochenende Freiräume für berufliche Anforderungen benötigen, welche sie im Gegensatz zu vielen Paarfamilien über eine Partnerin bzw. einen Partner nicht absichern können. Damit ließe sich der Tatsache, dass Alleinerziehende im Gegensatz zu verheirateten Frauen im Durchschnitt in weniger sicheren Arbeitsverhältnissen und zu ungünstigeren Bedingungen (z.B. ungünstigere Arbeitszeiten) berufstätig sind, Rechnung tragen. Auch für den Zeitraum der Arbeitsplatzsuche muss eine Lösung gefunden werden, die Alleinerziehenden erlaubt, im Vorstellungsgespräch eine konkrete Antwort auf die Frage nach dem möglichen Stellenantritt und der gesicherten Kinderbetreuung zu geben. Seit zwei Jahren erfolgt u.a. auch deshalb eine verstärkte Investition der Stadt München in neue Kindertagesbetreuungsangebote, wie beispielsweise die „Münchner Großtagespflege“.
Weitere Informationen zur Ausbauoffensive des Sozialreferats sind im Intranet im RatsInformationsSystem (RIS) des Stadtrats abrufbar (RIS/Schnellsuche/Suchbegriff:
Ausbauoffensive, Wahlperiode: 2002-2008, zuständiges Referat: Sozialreferat).

Bedarfsgerechte und flexible Kinderbetreuung betrifft aber nicht nur die Betreuungszeit.
Weitere für die Alleinerziehenden besonders wichtige Aspekte sind Verlässlichkeit, Qualität und Kosten des Kinderbetreuungsangebotes. Hier ist darauf zu achten, dass Alleinerziehende nicht systematisch aus Kostengründen auf Angebote ausweichen müssen, die eine geringere Verlässlichkeit und Qualität aufweisen.

Frage 8:
Im vorliegenden Entwurf des Armutsberichts der Bundesregierung hat sich als Folge der
Lohnentwicklung der vergangenen Jahre im unteren Bereich, die Armutsgrenze (60 % des gewichteten Einkommensmedians) deutlich nach unten verschoben, von 938 Euro im letzten Armutsbericht auf 781 Euro im vorliegenden Entwurf. Dieser Wert würde dann auch dem Münchner Armutsbericht und der daraus folgenden Planung im Sozialbereich zu Grunde liegen. Die Preisentwicklungen der vergangenen Jahre wie auch z.B. das Gutachten, das im Auftrag des Stadtrats zum SGB XII erstellt wurde, deuten auf einen massiven Kaufkraftverlust hin. Kann eine Armutsgrenze von 781 Euro im teueren München noch zu verlässlichen Aussagen über Armutsrisiken führen? Würde man eine münchenspezifische Armutsgrenze Seite 8 von 8 einführen (60 % gewichteter Median des örtlichen Einkommensspektrums), wo läge diese? Welcher Anteil Alleineinerziehender wäre arm, wenn man dieses Kriterium zu Grunde legte?

Antwort:
Die Festlegung einer münchenspezifischen Armutsgrenze würde es erforderlich machen, dass mittlere Einkommen der Bürgerinnen und Bürger von München zu erfassen. Dies ist auf Grund der Datenlage derzeit nicht möglich. Die bundesweit definierte Armutsgrenze von 781 Euro basiert auf zwei Einkommensstichproben (Statistics on Income and Living Condition (EUSILC) und Sozio-ökonomischen Panel), die für München keine statistisch gesicherten Aussagen zulassen.

Der im Herbst 2008 erscheinende Armutsbericht des Sozialreferates schließt sich der
Definition des bundesweiten Armutsberichtes an und definiert als arm „...Personen in
Haushalten, deren bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzenseinkommen weniger als 60 % des Mittelwerts aller Personen beträgt“ (siehe Entwurf des Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 19.Mai 2008 S. 19). Maßstab für die Festlegung der nach dieser Definition als arm bezeichneten Personen, die sogenannte „Armutspopulation“ - wird in München das Nettoäquivalenzeinkommen Westdeutschlands 2005 sein. Dies betrug 810 Euro. Welcher Anteil Alleinerziehender nach diesem Kriterium als arm eingestuft werden kann, wird sicher dem Armutsbericht im Herbst zu entnehmen sein.

Allerdings setzt sich die Landeshauptstadt München auf Bundesebene dafür ein, die
Regelsätze im SGB II bedarfsgerecht zu erhöhen und regionsspezifisch, wie vormals im
Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes, anzupassen.

Mit freundlichen Grüßen
gz.
Friedrich Graffe

Stichwort: 080718_SOZ_DH_Antwort_Alleinerziehende