Stellungnahme des Arbeitskreises Panafrikanismus München e.V. zu dem rassistischen Begriff "Schwarzfahren" / Artikel vom 10. Februar 2012 in der AZ

Die Anprangerung des Begriffs "Schwarzfahren" durch Stadtrat Orhan Akman hat rassistische Polemiken ausgelöst. Dagegen unterstützt der Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V. den Antrag von Orhan Akman auf Umbenennung dieses Begriffs. Um die Diskussion zu versachlichen, drucken wir die Stellungnahme des Arbeitskreises ab.

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München, 14. Februar 2012

Stellungnahme zu dem rassistischen Begriff "Schwarzfahren" / Artikel vom 10. Februar 2012 in der AZ.

 Der Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V. hat den Antrag von Stadtrat Herrn Akman und den darauf Bezug nehmenden polemischen Artikel in der Abendzeitung vom 10.02.2012 zur Kenntnis genommen und fordert einen reflektierten Umgang mit dem Thema Rassismus.

Der Begriff "Schwarzfahrer" als Bezeichnung für unehrliche oder in finanziellen Nöten befindliche Fahrgäste hat keine neutrale Bedeutung, sondern wurzelt in einer über Jahrhunderte tradierten christlich-mythisch konnotierten europäischen Farbsymbolik, die diesen binär gesetzten Farben wiederum bestimmte binäre Eigenschaften zuschreibt und hat von daher - wie viele Begriffe und Konzepte der deutschen Sprache - einen rassistisch konnotierten, ideologischen Hintergrund.

 

„Schwarzsein“ bzw. „Weißsein“ als jeweils soziale/politische Positionierung (da es erwiesenermaßen keine „Rassen“ gibt, sondern diese eine Erfindung von europäischen „Rassentheoretikern“ ab dem 18.Jh waren) ist ein sehr komplexes Thema. (s. hierzu Studien aus der kritischen Weißseinsforschung)

 

Durch die rassifizierende Differenzierung und Kategorisierung der Menschheit im Rahmen der vermeintlich wissenschaftlichen „Rassentheorien“, wurden die menschenverachtenden Praktiken des Jahrhunderte währenden transatlantischen Versklavungshandels und die Gewalt des  Kolonialismus  legitimiert. Millionen von Afrikaner_innen fielen diesen Verbrechen zum Opfer.

 

„Schwarzsein“ bzw. „Schwarze_r zu sein“ ist und war keine Selbst-Bezeichnung der Afrikaner_innen, sondern stellen von außen aufoktroyierte Begrifflichkeiten in Abgrenzung zum eigenen konstruierten Weißsein dar.

 

Schwarz als Farbempfindung, die beim Fehlen eines Farbreizes entsteht, also als Abwesenheit von Licht jeglicher Wellenlänge, ist mit seinen zahlreichen negativen Bedeutungszusammenhängen wie  z.B. "Schwarzfahren", Schwarzarbeit, schwarz sehen, schwarzer Peter, “ etc. assoziativ an das Bild von Afrikaner_innen und Menschen afrikanischer Abstammung gekoppelt.

 

Im Gegenteil dazu ist weiß positiv besetzt und steht für das Unschuldige, Wahre, Gute, Reine und Rationale. Weißsein als „unmarkierter Markierer“ setzt sowohl ästhetisch als auch weltanschaulich eine bestimmte Norm und verteidigt nach wie vor - wenngleich nach den Gräueln des Nationalsozialismus wiederum diskursiv verschleiert - den Anspruch einer weißen Deutungshoheit und Suprematie.

 

Begriffe und Konzepte wie auch ihre Bedeutung haben eine Geschichte und sollten nicht dehistorisiert und so naturalisiert werden.

 

„Dass die Forderung des Münchner Stadtratpoltikers, diese rassistische Bezeichnung umzubenennen, von der Münchner Abendzeitung als "hochgradig lächerlich" bezeichnet wird und sich auch noch einige weiße deutsche Sprachwissenschaftler bereit finden, dem Begriff grünes Licht zu geben und ihn als unbedenklich zu erklären, zeugt nur von der nach wie vor herrschenden dominierenden paternalistischen Haltung. Es gäbe übrigens genügend andere Sprachwissenschaftler_innen, die die rassistischen Konnotation dieses Begriffes bestätigen können“, so Hamado Dipama vom Arbeitskreis Panafrikanismus München.

 

Und fügt als Analogie noch hinzu: “Wenn eine Frau sich über sexistische Sprache beschwert, würden Sie dann im Gegenzug einen Mann zitieren, der ihr in ihrem Blatt erklärt, was Sexismus „wirklich“ ist? Oder wenn sich ein jüdischer Mitbürger über antisemitische Sprache oder Konzepte echauffiert, würden Sie dann ein weißen deutschen Linguist dazu interviewen, ob das gerechtfertigt ist und sein Statement so in Abrede stellen?“

 

Es ist hier wichtig, dass sowohl in Medien wie auch in der Wissenschaft und natürlich auch bei der Münchner Verkehrsgesellschaft und der Deutsche Bahn zur Kenntnis genommen wird, dass Sie mit dieser Sprachpolitik im europäischen Kontext recht alleine dastehen.

 

In keiner der anderen großen europäischen Sprachen wird ein Äquivalent der Bezeichnung „Schwarzfahren“ benutzt. So heißt es im Englischen: „fare dodging“, im Französischen „resquiller„ im Spanischen: „viajar sin billete“ oder im Italienischen: „ schivare tariffa “.

 

Wir begrüßen und unterstützen die Initiative, die Stadtrat Herr Akman eingebracht hat und appellieren an die Münchner Verkehrsgesellschaft und die Deutsche Bahn diesen Begriff z.B. in „Fahren ohne Fahrschein“ umzubenennen.

 

AKPM e.V.

Kontakt: Siehe Oben!

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