Stellungnahme zur aktuellen Novelle des Baugesetzbuches Wiederherstellung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten
Hintergrund:
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. November 2021 – Az. 4 C1.20 – entschieden, dass § 26 Nummer 4 des Baugesetzbuchs in wortlautgetreuer Auslegung die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts auch in sozialen Erhaltungsgebieten ausschließt, wenn das Grundstück gegenwärtig entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel aufweist. Einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Ansicht, wonach in sozialen Erhaltungsgebieten auch und vor allem zu erwartende zukünftige Entwicklungen des betreffenden Grundstücks in den Blick zu nehmen seien, schloss sich das Gericht damit nicht an. Erhaltungssatzungsgebiete verfolgen das städtebauliche Ziel, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung vor gegenwärtigen wie künftigen Veränderungen zu schützen, das Vorkaufsrecht war ein wichtiges Instrument in diesem Zusammenhang. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Stadt München und anderen Städten die Grundlage für die gängige Vorkaufsrechtspraxis entzogen. Ergebnis ist, dass das Vorkaufsrecht in den Erhaltungsgebieten, vor allem in den sozialen Erhaltungsgebieten gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs, praktisch kaum noch Anwendung finden kann.
Das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten soll aus Sicht der Verfasser*innen wiederhergestellt werden, um die Verdrängung der Bewohner*innen zu verhindern und wie es im Wortlaut des Gesetzes heißt, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu schützen. Nach dem Baugesetzbuch ist vorrangig zu prüfen, ob eine Abwendungsvereinbarung gemäß § 27 des Baugesetzbuchs in Betracht kommt, die mit ihrem Inhalt die Ziele des Erhaltungsrechts sichert und bei Abschluss das Vorkaufsrecht entfallen lässt. Folge des Urteils ist, dass derzeit keine Abwendungserklärungen ausgestellt werden und die Wohnbevölkerung in den Milieuschutzgebieten nicht mehr ausreichend geschützt werden kann.
Das kommunale Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten ist eines der wenigen Instrumente der Städte zum Erhalt von bezahlbarem Wohnraum in den Bestandsquartieren. Tausende Wohnungen konnten in München bis zum Verwaltungsgerichtsurteil Ende 2021 vor der Immobilienspekulation geschützt werden. Dies, indem Häuser gekauft wurden oder sogenannte Abwendungserklärungen zum Schutz der Mieter*innen unterzeichnet werden mussten.
Situation in München
Seit dem Urteil konnte die Stadt München laut Angaben der Verwaltung 156 Objekte mit 2.307 Wohnungen (Stand: 31.10.2024) nicht durch das Vorkaufsrecht oder eine Abwendungserklärung schützen. In den Wohnungen leben 3.461 Mieter*innen. Das Mittel des Vorkaufsrechtes bzw. einer Abwendungserklärung wäre ein effektiver Schutz für diese Menschen gewesen. Dass der Gesetzesentwurf trotz der vielen Stimmen von den Städten München, Berlin, Hamburg, dem Deutschen Städtetag und auch von Mietervereinen und Sozial- und Wohlfahrtsverbänden keine Wiederherstellung des Vorkaufsrechtes enthält, sehen wir mehr als kritisch. Der Gesetzentwurf ist in diesem Punkt völlig unzureichend – gerade auch wenn man die explodierenden Mieten in München in den Griff bekommen möchte.
Die Ausweitung des Vorkaufsrechtes auf die sogenannten Share Deals begrüßen wir. Ohne wirkliche Wiederherstellung des Vorkaufsrechtes laufen sie aber ins Leere. Wir fordern dringend eine Nachbesserung der Baugesetzbuchnovelle, damit die Kommunen im Kampf gegen Wohnungsnot und Mietenwahnsinn das Vorkaufsrecht wieder nutzen können.
Fazit:
Aus unserer Sicht ist es mehr als notwendig, dass im parlamentarischen Verfahren eine Änderung von § 26 Nummer 4 des Baugesetzbuchs umgesetzt wird, die deutlich macht, dass es in den Erhaltungsgebieten auf zukünftige Nutzungen des Grundstücks ankommt. Nur so können die Gemeinden zu ihrer bisherigen Vorkaufsrechtspraxis zurückkehren.
Verfasser*innen:
DMB-Landesverband Bayern
Mieterverein München
#ausspekuliert
Mieterbeirat der Landeshauptstadt München
DGB Region München
PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband Bezirksverband Oberbayern
Stadtratsfraktion Die Linke / Die PARTEI im Münchner Rathaus
Stadtratsfraktion Die Grüne / Rosa Liste im Münchner Rathaus
SPD/Volt-Stadtratsfraktion im Münchner Rathaus
Dateien
- 241030_Stellungnahme_zur_Novelle_des_Baugesetzbuches.pdf
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