Erinnerungskultur in München ergänzen – Aufarbeitung der Rolle von Mediziner*innen, Pflegekr ften, der Gesundheitsberufe sowie Einrichtungen des Gesundheitswesens in der NS-Zeit in München

Interfraktioneller Antrag
AntragSolidarität

Erinnerungskultur bedeutet Gedenken. Sie benötigt jedoch eine kontinuierliche und dem aktuellen Forschungsstand entsprechende Aufarbeitung geschichtlicher Zusammenhänge. Daher stellt auch die Beschäftigung mit der Rolle der Münchner Medizin und medizinischen Wissenschaft zur Zeit des Nationalsozialismus einen wichtigen Teil der städtischen Erinnerungskultur dar, denn diese erscheint bisher wenig thematisiert. Viele der heutigen medizinischen Institute und Münchner Kliniken haben eine belastete Vergangenheit. Doch deren Geschichte wird nahezu kaum aufgegriffen und ist vor allem für die Öffentlichkeit nur in äußerst geringem Ausmaß zugänglich. Dabei kann besonders der damaligen Ärzteschaft in Deutschland eine wesentliche Beteiligung an der systematischen Ausgrenzung und Verfolgung der Opfer des Nationalsozialismus beigemessen werden. Die deutsche Ärzteschaft war, weit mehr als andere akademische Berufe, NS-verbunden. Bereits 1936 gehörten 30 Prozent der NSDAP an. Zahlreiche Beschäftigte des Gesundheitssystems, welche sich eigentlich der Versorgung und Hilfe von Menschen verpflichtet hatten, ermöglichten die systematische Verfolgung, Verdrängung und Vernachlässigung der Opfer des NS-Staats. Spezifisch die Beteiligung der Münchner Medizin und Forschung an der pseudowissenschaftlichen Prägung des Rasse-Begriffs, die Erforschung und Durchführung der Euthanasie sowie von abscheulichen Menschenversuchen stellt bis heute eines der dunkelsten Kapitel der Medizingeschichte dar. Es bedarf hier weiterhin der Aufklärung, Aufarbeitung und einer aktiven und lebendigen Erinnerungskultur; einer Kultur, welche an den Kliniken und Instituten eher mangelhaft erscheint.

  1. Das Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv, dem Gesundheitsreferat, dem Stadtmuseum, dem Jüdischen Museum, dem NS-Dokumentationszentrum und weiteren Beteiligten aus dem Medizin- und Gesundheitsbereich, z.B. dem Ärztlichen Kreisverband und der München Klinik, in Kooperation mit dem Institut für Medizingeschichte und Medizinethik der Ludwig-Maximilians-Universität sowie dem Institut für Medizingeschichte und Ethik der Technischen Universität München ein Stadtratshearing / Fachgespräch zum Thema: „Rolle von Mediziner*innen, Pflegekräften, der Gesundheitsberufe sowie Einrichtungen des Gesundheitswesens in der NS-Zeit in München“ durchzuführen.
  2. Ebenso wird, in ebengleicher Kooperation, das Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur beauftragt, dem Stadtrat ein Konzept vorzulegen, wie auf sensible Weise Schicksale von Betroffenen der Medizinverbrechen in München in der NS-Zeit sichtbar gemacht werden können. Zudem soll die Rolle, die beteiligte Gesundheitseinrichtungen und deren Nachfolgeeinrichtungen bei diesen Medizinverbrechen, zum Beispiel Krankenmorde und Zwangssterilisation, hatten, konzeptionell, z. B. in Form von Erinnerungstafeln an Einrichtungen des Gesundheitswesens, einem medizinhistorischen Geschichtspfad oder ähnlichem, in der Stadt verdeutlicht werden. Das Konzept ist von einem gemeinsamen Kultur- und Gesundheitsausschuss zu beraten.
  3. Zuletzt wird das Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur beauftragt, gemeinsam mit den zuvor genannten Institutionen und Trägern ein Konzept für ein Bildungsangebot in Form von z. B. Stadtrundgängen und Unterrichtseinheiten zu NS- Medizinverbrechen in München, auch unter Berücksichtigung der Rolle der Pflege und weiterer Gesundheitsberufe, für Schulen des Gesundheitswesens, insbesondere für Auszubildende in der Alten- und Krankenpflege und weiteren Gesundheitsberufen sowie für Medizinstudierende zu erstellen und dem Stadtrat vorzulegen. Dieses Konzept sollte über die Geschichte der NS-Medizinverbrechen in München hinaus auch die Rolle der jüdischen Ärzt*innen und Heilberufe aufarbeiten und Ihnen erinnern. Ebenso sollte dieses Konzept auch die medizinische ‚Betreuung‘ von Zwangsarbeiter*innen aufarbeiten und diese bisher so vergessene Thematik in das bewusste Gedächtnis der Stadt rücken.
  4. Diese Konzepte sind bis zum 31.12.2023 zu beraten oder es soll dem Stadtrat ein alternativer Zeitplan vorgelegt werden.

Begründung

Erinnerungskultur bedeutet Gedenken. Sie benötigt jedoch eine kontinuierliche und dem aktuellen Forschungsstand entsprechende Aufarbeitung geschichtlicher Zusammenhänge. Daher stellt auch die Beschäftigung mit der Rolle der Münchner Medizin und medizinischen Wissenschaft zur Zeit des Nationalsozialismus einen wichtigen Teil der städtischen Erinnerungskultur dar, denn diese erscheint bisher wenig thematisiert. Viele der heutigen medizinischen Institute und Münchner Kliniken haben eine belastete Vergangenheit. Doch deren Geschichte wird nahezu kaum aufgegriffen und ist vor allem für die Öffentlichkeit nur in äußerst geringem Ausmaß zugänglich. Dabei kann besonders der damaligen Ärzteschaft in Deutschland eine wesentliche Beteiligung an der systematischen Ausgrenzung und Verfolgung der Opfer des Nationalsozialismus beigemessen werden. Die deutsche Ärzteschaft war, weit mehr als andere akademische Berufe, NS-verbunden. Bereits 1936 gehörten 30 Prozent der NSDAP an. Zahlreiche Beschäftigte des Gesundheitssystems, welche sich eigentlich der Versorgung und Hilfe von Menschen verpflichtet hatten, ermöglichten die systematische Verfolgung, Verdrängung und Vernachlässigung der Opfer des NS-Staats. Spezifisch die Beteiligung der Münchner Medizin und Forschung an der pseudowissenschaftlichen Prägung des Rasse-Begriffs, die Erforschung und Durchführung der Euthanasie sowie von abscheulichen Menschenversuchen stellt bis heute eines der dunkelsten Kapitel der Medizingeschichte dar. Es bedarf hier weiterhin der Aufklärung, Aufarbeitung und einer aktiven und lebendigen Erinnerungskultur; einer Kultur, welche an den Kliniken und Instituten eher mangelhaft erscheint.

Dies gilt weiterhin auch für die Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges. Viele der ehemaligen Direktoren zur Zeit des NS-Regimes, welche sich aktiv an Menschenrechtsverbrechen beteiligt haben, wurden in den Nachkriegsjahren erneut in gleicher oder höherer Position eingestellt und prägten noch Jahre nach dem Krieg die Münchner Medizin.

Aus diesen Gründen halten wir die Beschäftigung mit der medizinischen Vergangenheit Münchens für aktueller denn je. Institutionalisierter sowie individueller Rassismus sind ein Teil unserer Gesellschaft und prägen damit auch die medizinische Lehre, Forschung und den klinischen Alltag. Eine diskriminierungsfreie und rassismuskritische Medizin bedarf daher einer medizinhistorischen Aufarbeitung und Diskussion.

Die LINKE./ Die PARTEI – Stadtratsfraktion

Fraktion Die Grünen – Rosa Liste

Stefan Jagel
Marie Burneleit
Brigitte Wolf
Thomas Lechner

Dominik Krause
Florian Roth
Angelika Pilz-Strasser
Gudrun Lux
Nimet Gökmenoglu
Marion Lüttig

Mitglieder des Stadtrates

Mitglieder des Stadtrates

SPD/Volt-Fraktion

Klaus-Peter Rupp
Julia Schönfeld-Knor
Roland Hefter
Barbara Likus
Lars Mentrup
Lena Odell
Kathrin Abele

Mitglieder des Stadtrates