Anfrage: Nachgehakt: Türkenstraße 52/54: Bezahlbarer Wohnraum vernichtet für die Spekulation
Nach 18 Jahren geht mit der bald bevorstehenden Fertigstellung des „ENSEMBLE No. 52“ in der Türkenstraße 52/54 ein dramatisches Kapitel des Münchner Mietenwahnsinns in die nächste Runde. Nirgends in München wird es deutlicher, dass die angestammte Bevölkerung verdrängt und durch Superreiche ersetzt wird. Bezahlbarer Wohnraum weicht Luxus-Eigentumswohnungen und Anlageobjekten.
2007 wurden die sechs Häuser von der Investorengruppe "Türkenstraße 52/54 GmbH & Co. KG", vertreten durch die Münchner Anwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftskanzlei Braun/Leberfinger/Ludwig/Weidinger (BLL) gekauft[1]. Kurz darauf fiel für fünf von sechs Häusern der Denkmalschutz. Nachdem die Häuser ab diesem Zeitpunkt Schritt für Schritt entmietet wurden und die Investoren die Genehmigung für einen Abriss und Neubau der Häuser erhalten hatten, wurde der Block 2017 an die REAL Treuhand Immobilien GmbH, eine Tochter der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, verkauft. Da nach zehn Jahren die Spekulationsfrist abgelaufen war, fielen darauf keine Steuern an. 2019 wurde die gute Gebäudesubstanz mit 53 bezahlbaren Wohnungen dann abgerissen. Allein zwischen 2007 und 2019 ist dabei der Bodenpreis um 370 % gestiegen und hat sich somit fast verfünffacht. Leistungslose Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit, die vor allem von den Spekulanten um die BLL eingefahren wurden.
Fünf von sechs Häusern wurden abgerissen und damit bezahlbarer Wohnraum vernichtet. Lediglich die Türkenstraße 54 musste erhalten bleiben, weil der damalige Investor den Denkmalschutz nicht kippen konnte. Dort stehen teilweise vollständig renovierte Wohnungen seit über sechs Jahren leer. Aktuell sind nur noch drei von neun Wohnungen vermietet. Die Stadt hat diesem Leerstand damals gerechtfertigt mit dem Lärm der Bauarbeiten und den möglichen Beginn von Modernisierungsarbeiten am Haus.
Die Neubauwohnungen werden aktuell als „erlesene Wohnunikate“ vermarktet mit exquisitem Interior-Design – z. T. mit Design-Saunen und Kaminen. Preise von bis zu 30.000 Euro pro Quadratmeter[2]. Reines Betongold. Wie in anderen Fällen in der Stadt ist durchaus wahrscheinlich, dass einige der Wohnungen kaum bewohnt werden, sondern als Anlageobjekt und Opernwohnungen genutzt werden. Erstaunlich ist dabei, dass die Investoren ein Baurecht für sechs Stockwerke erhalten haben, wo früher nur fünf Stöcke waren und auch in der Nachbarschaft im Geviert jeweils höchstens fünf Stockwerke vorhanden sind. Genau dort entstehen die Penthouse-Wohnungen mit bis zu 390m², die völlig am Wohnungsbedarf der Stadt vorbeigehen.
Wir bitten daher den Oberbürgermeister, folgende Fragen zu beantworten:
- Wie hoch beziffert die Stadt München den Bodenwertzuwachs des gesamten Grundstückes vom Zeitpunkt des ersten Verkaufs (2007) bis heute?
- Im Zuge der Abrissgenehmigung der fünf Häuser aus 2012 wurde ein Neubau mit 3.510 m² Wohnfläche geplant. In den späteren Planungsunterlagen wurden 5.747 m² aufgerufen? Wie kam es zu der Steigerung des Baurechtes um 63,7 %?
- Die abgerissenen bezahlbaren Wohnhäuser sowie die Häuser in der Umgebung haben bzw. hatten nur maximal fünf Stockwerke. Aus welchem Grund wurde den Investoren in diesem Fall Baurecht gewährt, dass über dem nachbarlichen Standard hinausgeht, wohlwissend, dass dort nur Luxus-Eigentumswohnungen entstehen werden?
- Welche Maßnahmen hat das Sozialreferat gegen den mittlerweile seit über sechs Jahren bestehenden Leerstand von teilweise renovierten Wohnungen in der Türkenstraße 54 unternommen? Welche Bußgelder wurden gegen den Eigentümer ausgesprochen?
- Wie bewertet der Oberbürgermeister die Entwicklungen an der Türkenstraße 52/54 in den letzten 20 Jahren?
- Wurde bislang eine Abgeschlossenheitsbescheinigung für die Türkenstraße 54 beantragt und genehmigt, die eine Grundlage wäre für einen Verkauf der Wohnungen im Sinne der Profitmaximierung?
- Seit mehr als fünf Jahren wird der öffentliche Raum vor der Türkenstraße 52/54 für die Baustelle genutzt, was zu erheblichen Einschränkungen für die verbliebenen Bewohner*innen und die Nachbarschaft führt. Welche Ausgleichszahlungen hat die Stadt für die Nutzung des öffentlichen Raumes bekommen und wann sollen die Einschränkungen beendet sein?
- Wie will der Oberbürgermeister die verbliebenen Mieter*innen in der Türkenstraße 54 vor einer Verdrängung schützen?
Initiative:
Stadträtin Brigitte Wolf
Stadtrat Stefan Jagel
Gezeichnet:
Stadträtin Marie Burneleit
Stadtrat Thomas Lechner
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RatsInformationsSystem München - StR-Anträge / StR-Anfragen - StR-Anfrage 20-26 / F 01143
[1]https://www.sueddeutsche.de/muenchen/maxvorstadt-investoren-schuetteln-den-denkmalschutz-ab-1.32241